Operator

Auf Lateinisch der Begriff Operator bezieht sich mit dem Nomen Opus und dem Verb Operari. Als Nomen Opus bedeutet: Werk, die materielle Arbeit, Beschäftigung, Bauwerk, Fabrikat, Kunstwerk, Mauerwerk. Als Verb Operare bedeutet: betreiben, tun, tätig sein, wirken, handeln, erledigen, beschäftigen.
Operator :
Arbeiter, Ververtiger, Macher, Schöpfer eine Sache.

Der Begriff Operator wird hauptsächlich im Bereich der Mathematik, Informationstechnik und  Biologie eingesetzt. Im Bereich der Mathematik als mathematisches Zeichen, welches symbolisch für eine Rechenoperation steht. Im Bereich der Informationstechnik Operator ist eine Person, die ein System bedient, die in der Regel mit höheren Rechten als der normale Benutzer erlaubt ist (z.B: Administrator, Root-User). Im Bereich der Biologie beschreibt eine Sequenz auf der DNA, die für die Bindung des Repressorproteins zuständig ist.

Im Kontext der Helle Kammer, unterteilt Barthes im vierten  Abschnitt an einer Fotographie drei Glieder: Der Operator – der Fotograf und Ersteller des Bildes – der Spectator – der Betrachter – und das Spectrum, also das, was fotografiert wird. Die erste Gesichtspunkt des Operators,  ist also der Fotograf, der etwas „tut“. Barthes hält die Überraschung als die wichtiste Aufgabe des Operators, da dieses Prinzip (er bezeichnet es als Schock) dient um das Verborgen zu entdecken.

In der S.17 drückt Barthes aus, dass sein Zugang ausschließlich des Betrachters (spectator) und nicht des Machers (operator) sei, aufgrund mangelnder Erfahrung. Daher befaßt sich Barthes in seinen Beschreibungen vor allem mit dem spectrum und spectator.
„Zu einer dieser Tätigkeiten hatte ich keinen Zugang, und ich brauchte sie gar nicht zu befragen: ich bin kein Photograph, nicht einmal Amateurphotograph; dafür habe ich zu wenig Geduld: ich muß auf der Stelle sehen können, was ich  gemacht habe (Polaroid? Amüsant, doch enttäuschend, außer wenn ein großer Photograph sich damit abgibt).“

Quellen:

Barthes, Roland (1985): Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie. suhrkamp taschenbuch 1642. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

http://www.kunsttexte.de/index.php?id=711&idartikel=29378&ausgabe=30872&zu=&L=0 (Zugriff 10.12.2012)
http://www.navigium.de/latein-woerterbuch.php?form=operari (Zugriff 10.12.2012)
http://www.zeno.org/Georges-1913/A/operator?hl=operator (Zugriff 10.12.2012)

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Physiognomik

Der Begriff Physiognomik (aus griech. physis, „Natur“ und gnomonia, „Beurteilung“) bezeichnet die Gesichtsdeutungskunst, die Lehre von den Gesichtszügen (der Physiognomie): Die „Lehre, bei Lebewesen – vor allem beim Menschen – von äußeren Zeichen und Merkmalen (Gesichtszüge, Mimik, Kopfform, Körperbau, Haltung, Gebärden usw.) auf seelische Eigenschaften (Fähigkeiten und Anlagen, Gefühle, Temperament und Charakter sowie Krankheiten und Schicksalsverlauf) zu schließen“ (Ritter/Gründer: S. 955). Ziel ist also die Entschlüsselung des Verhältnisses zwischen sichtbarer Oberfläche und einem Unsichtbaren, einem „Wesen“, durch das Auffinden von Zeichen. 

Aristoteles (384 v.Chr.-322 v.Chr.):

Der philosophische Begriff taucht zum ersten Mal in der Antike bei Aristoteles in seiner Schrift Physiognomonica auf: „Physiognomik ist möglich, wenn man zugibt, daß alles, was physische Affektion ist, Leib und Seele zugleich verändert“ (Ebd.). Aristoteles untersucht in seinem Text neben der Tier-Physiognomik und Geschlechtsphysiognomik auch eine National-Physiognomik einzelner Völker und Stämme, die von Temperatur und Klima, Ernährung und Lebensweise bedingt sei. Trotz Aristoteles’ Warnung, physiognomische Urteile auf einzelnen Merkmalen zu gründen, sind die Lehrsätze oft grobschlächtig und schlicht: Große Augen wie beim Ochsen bedeuten Dummheit, weiches Haar wie beim Hasen lässt auf Furchtsamkeit schließen und Ähnliches. Wesentlich geblieben aber ist für die weitere Entwicklung der Physiognomie die von Aristoteles getroffene Feststellung eines innigen Verhältnisses zwischen Körper und Seele, einer unverwechselbaren Verbundenheit.

Porta (1540-1615):

An Aristoteles knüpft Johann Baptista della Porta im Mittelalter in seiner Schrift De humana physiognomonia von 1586 an, die vor allem durch den minutiös durchgeführten Tiervergleich Einfluss übte: Er stellte Holzschnitte von Menschen und Tieren gegenüber und schloss daraus auf positive oder negative menschliche Eigenschaften, die er bestimmten Tieren zuordnete, z.B. Ruhmsucht/Pferd, Kleinmut/Katze, Gerechtigkeit/Löwe usw.

Lavater (1741-1801, Pfarrer und Philosoph aus der Schweiz):

In der Zeit der Aufklärung ist Johann Caspar Lavater zu nennen, der in seinen Physiognomischen Fragmenten von einem mechanischen Zusammenhang von Äußerem und Innerem ausgeht. Am relevantesten waren für ihn alle festen, unbeweglichen und unveränderlichen Teile des menschlichen Körpers: das Knochensystem als Basis der Gesichtsbildung, weshalb er Schädelknochen betrachtete, Stirnen ausmaß und den Wert der Profilansicht im Schattenriss betonte. Lavater legte ein riesiges Bildarchiv mit Silhouetten, Porträtzeichnungen usw. an. Von Zeitgenossen, insbesondere von dem Göttinger Gelehrten Georg Christoph Lichtenberg, wurde die Lavatersche Physiognomik allerdings auch scharf kritisiert. Lichtenberg vertrat die alternative Theorie der Pathognomik, die nicht von den unveränderlichen Eigenschaften der Knochenstruktur ausgeht, sondern von Spuren, die Krankheit, Schicksal, Lebensweise und sozialer Status am Körper hinterlassen. Daraus lasse sich dann die Seele des Menschen ablesen.

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Quelle: Fischer, Rotraut/Schrader, Gerd/Stumpp, Gabriele (1989): Natur nach Mass. Physiognomik zwischen Wissenschaft und Ästhetik. Soznat: Marburg. S. 14

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Quelle: Fischer, Rotraut/Schrader, Gerd/Stumpp, Gabriele (1989): Natur nach Mass. Physiognomik zwischen Wissenschaft und Ästhetik. Soznat: Marburg. S. 30

Lombroso (1835-1909, ital. Arzt, Professor der gerichtl. Medizin und Psychiatrie):

Gegen Ende des 19. Jh wird die Physiognomik hauptsächlich von der unter Cesare Lombrosos Einfluss stehenden Kriminalistik verwendet. Philosophische Spekulationen über Recht und Unrecht, Verbrechen und Moral usw. waren für ihn veraltet, vielmehr sollte sich die Kriminalanthropologie auf die exakte Erfassung und Auswertung empirischen Materials beschränken. Der von Lombroso beschriebene „geborene Verbrecher“ (Fischer/Schrader/Stumpp: S. 8) war ein mathematisches Konstrukt. Der Mensch wurde aufgelöst in einen Komplex von anatomischen und physiologischen Merkmalen, ein Verbrecher wurde anhand der Summe dieser Merkmale identifiziert. Lombroso schloss also nicht vom Körperäußeren auf die Seele, sondern durch quantitativ gesammelte Messdaten. Auf seine rassistischen Hypothesen beriefen sich später unter anderem die nationalsozialistischen Rassentheorien.

Klages (1872-1956, dt. Philosoph und Psychologe):

Eine wirkliche Neubelebung hat die Physiognomik erst durch die Ausdruckspsychologie des 20. Jh erfahren. Vor allem Ludwig Klages hat seine Ausdruckslehre in Physiognomik der Funktionen an graphologischem Material entwickelt (Graphologie= die psychologische Deutung der Handschrift).

Roland Barthes verwendet den Begriff der Physiognomik in Die helle Kammer im 15. Kapitel eher beiläufig in nur einem Satz in Zusammenhang mit dem Begriff der ‚Maske’. Darin heißt es, dass die Fotografie keinen Sinn aus sich heraus hat. Sie benötigt die Maske, sie braucht Referenzsysteme wie beispielsweise die Physiognomie um Sinn stiften zu können. Als Beispiel nennt Barthes das Foto „William Casby, als Sklave geboren“ von Richard Avedon, aufgenommen 1963. William Casby steht die Sklaverei wie ins Gesicht geschrieben, so Barthes, es lässt sich durch die Gesichtszüge Casbys darauf schließen. Barthes schreibt über das Porträt: „das Wesen der Sklaverei ist hier bloßgelegt: die Maske, das ist der Sinn, insofern er völlig unverstellt ist“ (Barthes: S. 44).

Quellen:

–       Barthes, Roland (1985): Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie. suhrkamp taschenbuch 1642. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

–       Fischer, Rotraut/Schrader, Gerd/Stumpp, Gabriele (1989): Natur nach Mass. Physiognomik zwischen Wissenschaft und Ästhetik. Soznat: Marburg.

–       Ritter, Joachim/Gründer, Karlfried (Hg.) (1989): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 7: P-Q. Schwabe & Co AG Verlag: Basel. S. 955-963.

–       Schmidt, Heinrich (1991): Philosophisches Wörterbuch. 22. Auflage. Kröners Taschenausgabe Band 13. Alfred Kröner Verlag: Stuttgart. S. 565.

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Affekt/Pathos

Affekt

(von lat. affektus – Empfindungszustand, Empfindung)

Affekte sind zeitliche begrenzte Empfindungszustände, die im umgangssprachlichen und terminologischen Sinne von der Leidenschaft unterschieden werden. Sie sind von kürzerer Dauer und seelisch geringerer Tiefe als die Leidenschaft und können sich in motivalen, sowie körperlichen Dimensionen zeigen (z.B. Lächeln als Zeichen der Sympathie)

Von der Antike bis zur Neuzeit spricht man von einer Gemütsstörung, die wenn sie nicht vom Verstand beherrscht wird, eine gefühls- und willensmäßige Unterwerfung des Menschen fordert. Aufgrund dieser „Ausschaltung des klaren Denkens“ war der Affekt Jahrhunderte lang negativ behaftet. Heute allerdings wird er eher als die Voraussetzung der Kreativität des Menschen dargestellt und dem was den Menschen ausmacht.

Aristoteles bezeichnet die Affekte als eine Form „seelischer Phänomene“, die von Lust und Unlust begleitet werden. Er charakterisiert elf Affekte: Begierde, Zorn, Furcht, Mut, Neid, Freude, Liebe, Hass, Sehnsucht, Eifersucht und Mitleid. An sich sind die Affekte indifferent gegenüber gut oder böse. Sie sind natürliche Zustände der Menschen. Dennoch müssen sie, nach Aristoteles, dem Verstand unterworfen werden, da sie sonst den Menschen in seinen Gefühlen und Taten bestimmen.

Die stoische Philosophie behauptet, dass durch Affekte ein falsches Urteil in ethischer, psychologischer und physiologischer Hinsicht getroffen wird, welche aus der Vernunftwidrigkeit resultiert, da der Affekt gegen die Vernunft arbeitet. Wenn die Stoa somit vom Ideal der „Apathie“ sprechen meinen sie keineswegs eine Gefühlslosigkeit, sondern eine zurechtrückende Haltung der Affekte gegenüber. Somit gilt die Unterordnung der Affekte als Tugend. Trotzdem kennt die stoische Philosophie auch „gute“ Affekte, nämlich diese, die in Übereinstimmung mit der Vernunft stehen (wie z.B. Vorsicht).

Kant unterschied zwischen Affekten, welche stürmisch und unvorsätzlich sind und der Leidenschaft, welche wiederum anhaltend und überlegt ist.

Im 19.Jahrhundert verlagerte sich die Untersuchung der Affekte in den Bereich der Psychologie, während man sich im 20. Jahrhundert mehr der Analyse der Leidenschaft zuwandte. Die Leidenschaft wird als Triebkraft des geschichtlichen Lebens betrachtet.

Quellen:

Mittelstraß, Jürgen (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. 2.Ausgabe. Stuttgart: Metzler, 2005 (Band1)

Klaus, Georg; Buhr, Manfred (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch. 12Ausgabe. Leipzig: Bibliogr. Inst., 1976 (Band1)

Pathos

Das Wort Pathos kommt aus dem griechischen und  bedeutete  ursprünglich Schmerz/Leiden  und entwickelte sich so weiter, dass es allgemein  als Bezeichnung für jede Art von Erleiden galt. Also das Erleiden eines Unglücks oder Missgeschicks etc…Im Laufe der Geschichte fand der Begriff  Pathos in vielerlei Hinsicht Verwendung und wurde in verschiedenen Varianten ausgedeutet.

In der Redelehre von Aristoteles war das Pathos ein Rhetorisches Mittel welches dazu diente, das Publikum emotional anzusprechen und es somit zu überzeugen. Der Redner zielt dabei auf eine Affekterregung bei den Zuhörer ab in dem er sich zuvor selbst von Affekten ergreifen lässt  bzw. sich damit auflädt.

Für Hegel wirkte das Pathos als das, „was in der menschlichen Individualität zu Entschlüssen und Handlungen treibt“, „weil es an und für sich das Mächtige im menschlichen Dasein ist“.

Nietzsche beschreibt die Musik Beethovens und Wagners als „Sprache des Pathos, des leidenschaftlichen Wollens, der dramatischen Vorgänge im inneren des Menschen“

Für den Schriftsteller Stefan Zweig war das Pathos „Lust Kraft und Wille Ekstase zu erzeugen“.

Eine weitere sehr breite Definition von Pathos liefert R. Leonhard 1916 indem er sagte: „Pathos als Energie heißt die leidenschaftliche Bewusstheit eines Zustandes, Pathos als Erscheinung das gefühlte Übermaß an Geste und Pathos als als Wirkung-Leid“

Diese Definitionen lassen es zu, das Wort Pathos mit dem, was Roland Barthes als punctum beschreibt, in Verbindung zu setzen. Das punctum, als das was ihn in einer Photographie besticht, hat also etwas Pathetisches und löst in ihm einen Affekt aus. So schreibt Barthes „…sobald ich mich aber dem Wesen der PHOTOGRAPHIE im allgemeinen näherte, geriet ich auf Abwege; statt dem Weg einer formalen Ontologie(einer LOGIK) zu folgen, hielt ich inne und bewahrte bei mir, wie einen Schatz, meine Sehnsucht oder meinen Schmerz; das Wesen des PHOTOS, so, wie von mir vermutet, ließ sich für mich vom  „Pathetischen“, aus dem es besteht, nicht trennen, kaum dass ich es gesehen“.Das Pathetische einer Photographie scheint also dass zu sein, was das punctum führ Barthes ausmacht; das Erzeugen von  Schmerz und Leid.

In der heutigen Verwendung, wird der Begriff Pathos meist benutzt um einen übermäßigen, künstlichen Gefühlsausdruck zu beschreiben und gilt als abwertend.

Quellen:

-Ritter, Joachim; Gründer, Karlfried; Gabriel, Gottfried: Historisches Wörterbuch der    Philosophie. Basel/Stuttgart: Schwabe & Co

-http://de.wikipedia.org/wiki/Pathos

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Referent

Der Referent ist was man auf dem Foto sieht und was man durch ihn erkennen kann. Anders gesagt seigt uns die Fotographie ein „etwas“ das Roland Barthes Referent nennt.
Eine Fotografie kann sich also nicht von ihren Referent unterscheiden oder trennen weil der Referent ihren Inhalt ist: der Referent ist die wirkliche Sache, die vor dem Objektiv gestellt wurde. Man kann also nicht vor den Referent einer Fotographie vorbei gehen: im Augenblick wo man eine Fotografie sieht, sieht man zwangläufig ihren Referent, was sie darstellt. Der Referent ist also keine Notwendigkeit sondern eine Existenzbedingung für Sie, andernfalls gäbe es keine Fotografie ohne ihn: damit hat die Fotographie etwas Tautologisches. Im Gegenteil zur Schrift verlangt also die Fotographie keine spezifischen Kenntnisse um etwas davon zu entfernen, sie vermittelt uns automatisch Bildliche Sinne und Emotionen, durch ihren Referent.

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(Frank Eugenes Foto von Miss Convere Jones in 1899).

Jedes Foto trägt eine Emotion, die nur durch dem Referent ermöglich ist und eine bestimmte Beziehung Form zum Spectator nimmt. Für Roland treibt die Fotographie eine Art Melancholie durch ihre Vergangenheit. Jemand hat den Referent persönlich gesehen – und den noch ist diese Person so gut wie ihren Referent gestorben: « Elle aussi, elle a été, et pourtant, sans aucun doute, elle est morte. » (Frank Eugenes Foto von Miss Convere Jones in 1899).
Auf Französisch sagt man „faire référence à quelque chose“ das heißt auf etwas verweisen oder Bezug nehmen, darum verwendet Roland Barthes dieses Begriffs weil die Fotographie uns auf ein „Da gewesen“ verweist.
Die Fotographie wirkt für Roland Barthes als Beweis oder Zeuge des „Da gewesen“, eine Tatsache, die man nicht in Frage stellen kann. Der Referent ist nicht Fiktional wie die Sprache, er belügt nicht, er versichert uns eine Vergangene Realität die wir Wahrnehmen.

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Beseelung

Der Begriff der Beseelung wird in der Religion verwendet, um zu beschreiben, dass der Körper ein Innenleben erhält, also mit Etwas gefüllt wird, was die Seele genannt wird. Mit Beseelung ist die Menschwerdung gemeint, d.h. dem Menschen wird, durch das Pneuma Gottes, die Seele “eingehaucht”.

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Die Erschaffung/Beseelung Adams

Zuerst ging die Religion von einer sukzessiven, also einer schrittweisen Beseelung aus. Der Mensch war nicht mit dem Ereignis der Geburt beseelt, sondert verdient sich die Beseelung auf dem Lebensweg. Heute geht die Religion jedoch von einer simultanen, einer gleichzeitigen Beseelung aus. Der Körper wird mit der Seele zusammen geboren.

Eine Bedeutung des Begriffs Beseelung findet sich im Animismus (vom lateinischen Wort Anima, welches Seele, Geist oder Atem bedeutet, also wortwörtlich Seele einhauchen), ein Glaube, der bestimmten Naturvölkern eigen ist. Animisten glauben, dass alle Gegenstände, genauso wie der Mensch, beseelt sind, beziehungsweise, dass in allen Dingen Geister wohnen. Steine können beseelt sein, genauso wie Bäume, Wälder, Häuser, Dörfer und Menschen.

Die Beseelung ist zuletzt ein Begriff aus der Einfühlungstheorie (auch Resonanztheorie bzw. Erfassungstheorie) und beschreibt einen psychischen Akt, durch den äußerliche, sinnliche Erscheinungen mit seelischem Gehalt erfüllt werden. Das eigene Erleben des Wahrnehmenden wird in den Gegenstand projiziert, also in fremde Körper hinein gefühlt.

Roland Barthes untersucht die Anziehungskraft, die Fotos, und nur einige bestimmte Fotos, auf ihn ausüben. Er negiert, dass es Faszination ist, sondern etwas Größeres, das Gegenteil von Benommenheit, ein Fest. Er beschreibt weiterhin, dass es mehr als Interesse ist und findet als eine vorläufige Bezeichnung, um die Anziehungskraft, die Fotos auf ihn ausüben, zu beschreiben, nämlich das Abenteuer.
Letztendlich findet Barthes als richtigen Ausdruck, die Beseelung.
Außerdem ist Beseelung die Anziehung, der das erste Foto seine Existenz verdankt. Eine Beseelung findet nach dem Autor nur statt, wenn der Spectator darin sein persönliches Abenteuer wiederfindet. Man könnte sagen, es findet ein Wechselspiel zwischen dem Abgebildeten und dem Betrachter statt.

Quellen
Barthes, Roland: Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie, Frankfurt a. M.: Suhrkamp Verlag, 1989

Kohle,Hubertus (Herausgeber) Vom Biedermeier zum Impressionismus, München: Prestel, 2008 Katalogbeitrag von Annette Dorgerloh, “Beseelung der Bilderscheinung”

Ritter, Joachim (Herausgeber) Historisches Wörterbuch der Philosohphie A-C; Animismus S.315-318, Basel/Stuttgard: Schwabe und Co Verlag, 1971

http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/163974 (Zugriff 4.11.2012)
http://www.omf.org/omf/deutschland/asien/religionen/animismus (Zugriff 4.11.2012)
http://www.duden.de/rechtschreibung/Animismus (Zugriff 10.12.2012)
http://de.vionto.com/show/me/Einfühlungstheorie (Zugriff 4.11.2012)

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MATHESIS UNIVERSALIS / SINGULARIS

Mathesis universalis’, griech.-lat. ‚universale Wissenschaft’ – die Idee einer alle formalen Wissenschaften übergreifenden ‚Einheitswissenschaft’, die im Wesentlichen auf René Descartes und Gottfried Wilhelm Leibniz zurückgeht. In Abgrenzung zur etablierten philosophischen Terminologie formuliert Roland Barthes in „Die helle Kammer“ ein antagonistisches Modell der Erkenntnisgewinnung: die ‚mathesis singularis’ als Wissenschaft des Singulären, des Einzigartigen, als Einzelwissenschaft per definitionem, von der aus auf das Universale, das Allgemeine geschlossen werden kann.

Mathesis’, griech. μαθησις, bezeichnet ursprünglich das Erkennen, die Erkenntnis, das Erfahren sowie das Wissen. In der philosophischen Tradition wird der Begriff der ‚mathesis’ seit dem 17. Jahrhundert als allgemeine Bezeichnung für jede Wissenschaft, im Speziellen für die Mathematik verwendet – Gottfried Wilhelm Leibniz definiert jede mathematische Spezialdisziplin als ‚mathesis specialis’. Der Terminus ‚mathesis universalis’tritt nachweislich zum ersten Mal 1597 bei Adrianus Romanus auf, als Synonym zu einer ‚prima mathematica’, als eine mathematische Wissenschaft, die sich im Speziellen der Lehre der Quantitäten widmet.

René Descartes, Begründer der ‚neuzeitlichen’ Philosophie, knüpft in seinen „Regulae ad directionem ingenii“ (Regeln zur Leitung des Geistes) von 1628 erstmals an den Gedanken einer Universalmathematik, einer Universalwissenschaft an. Inspiriert durch die jüngst entstandenen algebraischen Methoden der Mathematik propagiert und betont Descartes hier die Einheit rationalen, vernunftgesteuerten Denkens. Aus der Einheitlichkeit und Allgemeingültigkeit der menschlichen Vernunft resultiert die Möglichkeit zur Vereinheitlichung, zur Zusammenführung alles menschenmöglichen Wissens – Descartes formuliert in seiner vierten Regel den Anspruch auf eine universelle Methode, mittels der es möglich sein soll, alle Einzelwissenschaften, die bis dato existieren, zu einem kohärenten Ganzen zusammenzufassen: die ‚mathesis universalis’ als eine „allgemeine Wissenschaft, die all das erklären wird, was der Ordnung und dem Maß unterworfen ist“. Die Betonung von „Ordnung und Maß“ impliziert jedoch keine Beschränkung auf rein mathematische Einzeldisziplinen, vielmehr fungiert das formale Regelwerk der Mathematik mit seiner Betonung von Grundsätzen wie Klarheit und Präzision als eine Art Ordnungsprinzip für Descartes: entscheidend werden exakt zu bemessende Relationen und proportionale Verhältnisse, unabhängig von der zu untersuchenden Materie. So bildet die Mathematik das Vorbild einer Methode des Erkenntnisgewinns, die sich nicht auf Zahlen oder Figuren beziehen muss, sondern vielmehr ohne Objektgebundenheit funktioniert, da sie nach dem universalen, statt dem singulären Zusammenhang strebt. Dieser beabsichtigte Erkenntnisgewinn vollzieht sich durch zwei zentrale Instanzen: den intuitus, den Intellekt, sowie die deductio, die Methode des logischen Schlussfolgerns, die in ihrem Zusammenspiel alle wissenschaftlichen Erscheinungen zu einem großen Ganzen synthetisieren.

Im Anschluss an René Descartes erweitert Gottfried Wilhelm Leibniz, Vertreter des Rationalismus, die Idee einer Universalwissenschaft. Auf der Basis einer ‚characteristica universalis’, einer universell gültigen Wissenschaftssprache, sowie der Einbeziehung einer formalen Logik soll die ‚mathesis universalis’ (oder ‚scientia universalis’) Ableitungen und Begründungen aller wissenschaftlichen Sätze und Theoreme ermöglichen. Hierbei ist unter der universalen Charakteristik, die Leibniz bereits in seiner Frühschrift „Dissertatio de Arte combinatoria“ von 1666 konzipiert, keine schriftlich fixierte, vormals gesprochene Sprache zu verstehen, sondern eine für alle Wissensgebiete verbindliche Symbolik, die nach mathematischem und naturwissenschaftlichem Vorbild konstruiert ist. So gilt es, Begriffe in Elementarteile zu zerlegen und sie in einem nächsten Schritt stellvertretend durch ein axiomatisches Zeichensystem zu ersetzen. Neben diesem primär deduktiven Verfahren soll es die formale Logik ermöglichen, theoretische Aussagen argumentativ zu begründen.

Die ‚mathesis universalis’, als philosophisches Konzept mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit und einen allumfassenden Geltungsbereich, lässt sich bei René Descartes wie auch Gottfried Wilhelm Leibniz als Versuch verstehen, mittels der Vereinigung aller wissenschaftlichen Teildisziplinen bzw. der Herausbildung einer formalisierten Wissenschaftssprache der Welterkenntnis näher zu kommen. An dieser Stelle soll auf die Neujustierung des Begriffspaares hin zur ‚mathesis singularis’ in Roland Barthes’ „Die helle Kammer“ eingegangen werden:

„..warum sollte nicht etwas wie eine neue Wissenschaft möglich sein, die jeweils vom einzelnen Gegenstand ausginge? Eine mathesis singularis (und nicht mehr universalis)? Ich übernahm mithin die Rolle eines Vermittlers der Photographie in ihrer Gesamtheit: ich würde den Versuch wagen, auf der Basis von ein paar persönlichen Gefühlen die Grundzüge, das Universale, ohne das es keine Photographie gäbe, zu formulieren.“ (S.16-17)

Die Übertragung des wissenschaftstheoretischen Begriffspaares der ‚mathesis universalis’ auf den Gegenstandsbereich der Fotografie, das heißt auf Roland Barthes’ Denken über die Wesenhaftigkeit der Fotografie bedeutet hier eine subjektivistische Indienstnahme eines Theorems, das selbst nichts als objektive Erkenntnis liefern möchte. Die ‚mathesis singularis’ findet ihren Ursprung, ihren Ausgang in der subjektiven Haltung Roland Barthes’ zu einer Sammlung an subjektiv zusammengestellten Fotografien – die daraus resultierende Dialektik aus der Bezugnahme auf theoretisch-objektivierte Begrifflichkeiten auf der einen Seite sowie die Instrumentalisierung eben dieser Begrifflichkeiten für persönliche Zwecke auf der anderen Seite konstituiert das zweischneidige Verhältnis, das „Die helle Kammer“ zu Wissenschaft und Literatur zugleich macht.

Die ‚mathesis singularis’ fungiert bei Roland Barthes als theoretische Fundierung seiner ich-zentrierten, auf Einzigartigkeit abzielenden Untersuchung über die Fotografie, die nicht von der Allheit und Zusammengehörigkeit aller wissenschaftlichen Teildisziplinen ausgeht, sondern bewusst den singulären Zugang sucht, um von dort aus „das Universale […] zu formulieren“ (S. 17). „Nichts von einem Korpus: nur einige Körper.“ (S. 16) – Roland Barthes beschließt, nur von einigen wenigen Fotografien auszugehen, um die von ihm beklagte „Unordnung“ (S. 16), die den bisherigen Stand der Fotografietheorie kennzeichnet, zu kompensieren. Diese bewusst gegenläufige Denkbewegung in Abgrenzung zu René Descartes und Gottfried Wilhelm Leibniz spiegelt einmal mehr die programmatische Abkehr Barthes’ von etablierten Theoriegerüsten. Der Begriff der ‚mathesis universalis’ wird aufgegriffen, um sogleich widerlegt und abgewandelt zu werden – der Begriff des studiums als Repräsentant der wissenschaftlichen Betrachtungsweise von Fotografien wird eingeführt, jedoch dem persönlich gehaltenen, daher schwer revidierbaren Begriff des punctums untergeordnet.

So lässt sich die ‚mathesis singularis’ als ein Versuch verstehen, für das Feld der Fotografie eine neue Wissenschaft zu ermöglichen, eine Wissenschaft, die vom einzelnen Gegenstand, vom Unikat ausgeht und die subjektiven Einflüsse des dahinterstehenden Theoretikers gar nicht erst zu negieren versucht. Roland Barthes wird so zum Vermittler zwischen den ausgewählten Fotografien (an dieser Stelle sei auf die besondere Bedeutung verwiesen, die einer singulären Fotografie der verstorbenen Mutter zukommt) und einer Fotografietheorie „in ihrer Gesamtheit“ (S. 17).

Literatur:

Barthes, Roland: Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1989, S. 16-17.

Halbfaß, Wilhelm: Regulae ad directionem ingenii, In: Jens, Walter (Hg.): Kindlers Neues Literatur Lexikon, Band 4, Frechen: Komet Verlag, 1998, S. 594-595.

Kauppi, Raili: Mathesis universalis, In: Gründer, Karlfried/Ritter, Joachim (Hg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 5, Basel, Stuttgart: Schwabe Verlag, 1980, S. 937.

Poser, Hans: Gottfried Wilhelm Leibniz, In: Volpi, Franco (Hg.): Großes Werklexikon der Philosophie, Band 2, Stuttgart: Alfred Kröner Verlag, 1999, S. 890-902.

Thiel, Christian: Mathesis universalis, In: Mittelstraß, Jürgen (Hg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Band 2, Stuttgart, Weimar: Verlag J.B. Metzler, 1995, S. 810-811.

Thiel, Christian: Mathesis, In: Mittelstraß, Jürgen (Hg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Band 2, Stuttgart, Weimar: Verlag J.B. Metzler, 1995, S. 810.

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Camera obscura

Der Begriff Camera obscura beschreibt ein Gerät zum Projizieren von Bildern.
Die Wörter „camera“ und „obscura“ kommen aus dem lateinischen und bedeuten übersetzt so viel wie „Zimmer“ und „dunkel“. Diese, als Vorläufer der Fotografie zu bezeichnende, Apparatur besteht aus einem, wie der Name vermuten lässt, dunklen Raum (die Größe spielt hierbei keine Rolle), an dessen einem Ende ein kleines Loch in der Wand ist. Wenn nun durch dieses Loch Licht hereinfällt, entsteht an der gegenüberliegenden Seite ein umgedrehtes Bild dessen, was außerhalb der Kammer liegt. Zunächst noch sehr lichtschwach und unscharf, wurden die erzeugten Bilder dieser Geräte durch den Einsatz von geschliffenen Linsen verbessert. Anwendung fand die Camera obscura sowohl in der Forschung (z.B. bei der Beobachtung der Sonne), als auch in der Kunst (z.B. als Zeichenhilfe).
Weltweit existieren noch heute verschiedene begehbare Camera obscuras.

Roland Barthes verwendet diesen Begriff in seinem Buch „Die helle Kammer“, im Zusammenhang mit den drei Ausdrücken operator, spectator und spectrum. Er möchte die Aufmerksamkeit auf den Unterschied zwischen dem chemischen und dem physischen Prozess bei der Herstellung einer Fotografie lenken. Weil mit der Camera obscura in ihrer Frühzeit Bilder nicht fixiert (festgehalten) werden konnten, sieht Barthes in ihr das „Werkzeug“ des operator. Dieser sucht den Bildausschnitt durch die Verschlussöffnung (das Objektiv) aus, ohne dass er über den späteren chemischen Prozess der Bildentwicklung nachdenkt.

Quellen:
http://www.wasistwas.de/technik/die-themen/artikel/link//06c48da194/article/camera-obscura-vorlaeufer-der-fotografie.html Zugriff: 09.12.2012
http://www.camera-obscura-muelheim.de/cms/geschichte__technik1.html Zugriff: 09.12.2012

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PUNCTUM/STUDIUM

Die Bezeichnungen punctum/studium gelten als zentrale Begriffe in Roland Barthes‘ Buch „Die helle Kammer“. In ihrem dichotomischen Verhältnis definieren sie seine „mathesis singularis“ und begründen damit eine subjektzentrierte Fotografietheorie, die den Wert (und die Kunst?) der Fotografie im betrachtenden Subjekt konstituiert.

Ursprünglich im Lateinischen als „das Gestochene“ angelegt, bezeichnet der Begriff des punctums eine „kleine Stelle“, einen „sehr kleinen Fleck, Tupfen, oder Einstich“ und weist damit bereits auf die von Barthes verwendete Begrifflichkeit hin: er selbst bezeichnet es als „Stich, kleines Loch, kleiner Fleck oder kleiner Schnitt“ (vgl. Die helle Kammer, S.36). Daran wird deutlich, dass Barthes dem punctum keine eindeutige Definition zuspricht, sondern es vielmehr als etwas Indifferentes darstellt, dessen Differentialität erst in Abgrenzung zum studium sichtbar wird, mit dem es eine Art „zweiwertige Logik“ bildet.

So gründet das punctum nicht wie das studium auf dem allgemeinen bzw. „höflichen Interesse“ an einem Foto, sondern durchbohrt jenes als „Pfeil“ und hinterlässt an der Schnittstelle eine „Wunde“. In der Fotografie angelegte Informationen werden als Teil des studiums sichtbar und bahnen sich im Zuge der kulturellen Wahrnehmung den Weg ins Bewusstsein. Dagegen bildet das punctum einen unbewussten Stich, der von der Fotografie selbst und nicht vom „spectator“ ausgeht. Es bricht affektiv in die Welt des Betrachters ein und rückt jegliche informationellen Bezüge in den Hintergrund. Was an der Stelle des Einstichs bleibt, ist eine Betroffenheit, eine Emotion oder eine Sehnsucht (vgl. S.48, „Dort würde ich gern leben“). Bezeichnend stellt Barthes heraus, dass sich das punctum damit in der Kategorie des „to love“ und nicht des „to like“ (wie das studium) bewegt.

Als „Wurf der Würfel“ verwendet es Roland Barthes außerdem metaphorisch für die reine Kontingenz eines Bildes. Das punctum trifft den Betrachter zufällig, nicht steuerbar, in einer unbestimmten Form. Es folgt weder einer Moral noch gutem Geschmack und verschließt sich damit jeglichen Norm- oder Wertvorstellungen (vgl. S. 53, „die schlechten Zähne des kleinen Jungen“).

Im Kontext seiner „Bemerkungen zur Photographie“ liefert das Verhältnis aus punctum/studium die Beschreibung dessen, was Barthes anfangs das Erstaunen bzw. die Anziehungskraft der Fotografie nennt (am Beispiel Napoleons Bruder). Zugleich löst es den Begriff des „Abenteuers“ ab und schafft eine Klassifizierung einerseits rein analytischer und auf der anderen Seite zugleich subjektiver Wahrnehmungsmethoden, die die „Gesetze seines Verlangens“ (S. 69) begründen. Die Kategorisierung subjektiver und analytischer Wahrnehmung kann so als Teil der Grundlage einer Antwort auf den „ontologischen Wunsch nach dem Wesen der Fotografie“ (vgl. S.11) interpretiert werden, den er zu Beginn äußert.

Gleichzeitig kommt die (zur Diskussion freigegebene) Frage einer entstehenden Bilddialektik auf. Kann das punctum nicht, wie Walter Benjamin in seiner Schrift zum historischen Materialismus in einem geschichtlichen Kontext aufdeckt, als eine Art „Monade“ (vgl. Benjamin: Über den Begriff der Geschichte, S. 703) betrachtet werden, die die Wirkmächtigkeit eines Bildes in sich vereint und in Form einer expansiven, metonymischen Kraft wieder ausstößt? Die Grundlage dieser These liefert Barthes selbst, wenn er die Fotografie weder nur als Zeichen, noch als Medium begreift, sondern als „die [abgebildete] Sache selbst“ (Die helle Kammer, S.55). So wird, angeschlossen an die Frage einer entstehenden Bilddialektik, ein weiterer Aspekt sichtbar, nämlich der der Kunstschaffung. Im Zuge der expansiven Kraft des punctums und der analog verlaufenden Auflösung des Medien- und Zeichenbegriffs der Fotografie sieht Barthes den Beweis ihrer Kunst (S. 55, „hier weist die Fotografie wirklich über sich selbst hinaus: ist dies nicht der einzige Beweis ihrer Kunst?“). Wird das punctum so nicht zum Vertreter und eigentlichen Erschaffer von Kunst?

Davon ausgehend wäre jede rein auf einem studium basierende Fotografie kein Kunstobjekt und jeder Kunstwert würde erst der Zufälligkeit eines Bildes entspringen. An diesem Punkt deutet sich ein Widerspruch in Barthes‘ Argumentation an. Er konstituiert das punctum einerseits als rein kontingentes, kultur- und werteloses Etwas, spricht jedoch in seinen Bildanalysen im Bezug darauf von klar kultur- und sozialisationsbezogenen Aspekten. Dies wird deutlich, wenn er beispielsweise bezüglich André Kertész Fotografie „Der Wandergeier“ von den „kleinen Ortschaften“ spricht, durch die „[er] vor langer Zeit […] gekommen [ist]“ (S.58) und die ihn an vergangene Zeiten erinnern. Eine klare Trennung von studium und punctum scheint demnach schwierig, da der Übergang eines rein „höflichen Interesses“ zu einem „liebenswerten Bild“ letzten Endes undefiniert bleibt.

Ein weiterer ungeklärter Aspekt reflektiert eine womöglich duale Rolle der expansiven, metonymischen Kraft des punctums. Auf Basis Derridas Aussage zum „Diskurs einer Allgemeingültigkeit“ (vgl. Derrida: Die Tode von Roland Barthes, S.22) und seiner Projektion von Roland Barthes‘ Mutter (das punctum schlechthin) auf sich selbst, kann die Frage aufgeworfen werden, inwiefern die Expansionskraft des punctums neben der reinen Wirkmächtigkeit im Rezipienten zugleich die eines sozialisierenden Vorgangs beschreibt. Ist das punctum einer Fotografie nicht in gewisser Weise zwischenmenschlich „vermittelbar“ und ließe sich damit nicht ebenso ein gewisser Grad an intersubjektivem Interesse vermitteln, das ja bereits in der Objektivität der metonymischen Kraft angelegt zu sein scheint? Oder anders gesagt: Wird das gemeinsame Betrachten von oder Sprechen über Fotografien nicht zugleich deshalb zu einem sozialen Erlebnis, weil es getragen von einem intersubjektiven punctum die Grundlage jeder gemeinsamen Emotion darstellt?

Dies würde gleichsam die Kritik an Barthes‘ subjektivistischer Herangehensweise entkräften, da somit bereits ein gewisser Grad an intersubjektiver Sichtbarkeit in der Fotografie angelegt wäre und Barthes diese – wenn auch nicht explizit herausstellend – mit seiner unpräzisen Begriffsdefinition des punctums umschließt.

Die Kritik an Roland Barthes‘ subjektzentrierten Fotografietheorie gründet demnach insbesondere auf dem untrennbaren Begriffspaar punctum/studium, das diese erst konstituiert. Inwiefern Barthes‘ Theorie jedoch bereits eine zumindest intersubjektive Perspektive zulässt, bleibt offen und bietet einigen Interpretationsspielraum. Bezüglich des weiteren Seminarverlaufs könnte ein letzter Diskussionspunkt außerdem Barthes‘ Mutter als „das punctum schlechthin“ thematisieren und insbesondere auf die Frage eingehen, inwiefern seine vom Bild der Mutter ausgehende Argumentationslogik überhaupt legitim ist, wenn diese – basierend auf einer reinen Schriftlichkeit – dem Leser das punctum des Buches (Bild der Mutter) vorenthält.

Quellen:

Barthes, Roland: Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie, Frankfurt a. M.: Suhrkamp Verlag, 1989.

Benjamin, Walter: Über den Begriff der Geschichte, in: Rolf Tiedemann, Hermann Schweppenhäuser (Hg.): Walter Benjamin. Gesammelte Schriften, Bd. 1, Frankfurt a. M.: Suhrkamp Verlag, 1990, S. 691-704.

Brockhaus: Enzyklopädie in 30 Bänden, Bd. 22, Leipzig/Mannheim: Brockhaus, 2006.

Derrida, Jacques: Die Tode des Roland Barthes, in: Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, Frankfurt a. M.: Starl, 1986, S. 11-26.

Leibbrandt, Anna/Sykora, Katharina (Hg.): Roland Barthes revisited. 30 Jahre »Die Helle Kammer«, Köln: Salon-Verlag, 2012.

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eidolon

Eidolon stammt aus dem griech. είδωλον; lat. idolum, was so viel wie Bild, Abbild, Trugbild bedeutet.

Der Begriff kann unterschiedliche Bedeutungen haben. Zum einen steht die Bezeichnung für ein unterlebensgroßes Bildnis. In der griechischen Mythologie, besonders bei Homer, bezeichnet eidolon ein Trugbild, vor allem aber die Seele eines Verstorbenen im Hades (das eidolon ist hier körperlos, hat aber die Gestalt des Lebenden). In der bildlichen Darstellung wird es häufig geflügelt und miniaturisiert gestaltet. Nach Platon ist eidolon der Abbdruck der ersten Wahrnehmung im Bewusstsein, der ein Wiedererkennen gewährleistet. Mit Hilfe von Name, Definition und eidolon gelangt man zur Erkenntnis eines Gegenstandes. Epikur verstand unter eidolon atomare Abbilder, die von einem Objekt ausgehen und seine Wahrnehmung und Erkenntnis ermöglichen. In der jüdischen und christlichen Terminologie bedeutet eidolon „Götzenbild“.

Eidolon wird tendenziell mit einem negativen Wertakzent versehen. Die eidola – so die Vorstellung – sind ihrer Substanz beraubt, gleichsam bloße Oberfläche und fallen damit dem Verdacht anheim, schatten- und scheinhaft und so potentiell trügerisch zu sein.

Roland Barthes versteht die Fotografie als „eine Art kleines Götzenbild, vom Gegenstand abgesondertes eidolon“ (Barthes, S. 17). Durch die Fotografie verwandelt sich der Fotografierte schon vor dem Kameraobjektiv, und nicht erst als Bild, zum Objekt und wird somit zu einem anderen. Der Fotografierte lässt bei dem Fotografieren zu, sich von einer blicklosen Linse festhalten zu lassen. Dies bedeutet, dass die Blicke, die er der Linse zu wirft von ihr nicht erwidert werden. Durch die Fotografie wird dem Fotografierten seine Sterblichkeit vorgeführt, denn für Barthes ist das Fotografieren mit dem Tod und dem Vergangenen behaftet. Barthes sieht die Fotografie als eine Erfahrung „im kleinen Ereignis des Todes“ (S. 22). Er wird durch die Fotografie „wirklich zum Gespenst“ (S. 22). So ist der Fotografierte, also der Referent, im Augenblick des Fotografiert werdens ein eidolon, also ein Schattenbild, ein Trugbild aus dem Totenreich. Die Fotografie ist als eidolon körperlos, erscheint aber in der Gestalt des Lebenden und ist mit dem fotografierten Objekt untrennbar verbunden.

Quellen:

Barthes, Roland (1989): Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

Därmann, Iris (1995): Tod und Bild. Eine phänomenologische Mediengeschichte. München: Fink, S. 405f., 422.

Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. (1997), hrsg. von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Stuttgart: Metzler, S. 911.

Scholz, Oliver R. (2004): Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildlicher Darstellung. Frankfurt a. M.: Verlag Vittorio Klostermann, S. 10f.

 

 

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eidos

Im Allgemeinen bezeichne der Begriff eidos laut dem Lexikon der philosophischen Begriffe im Griechischen neben „Urbild, „Gestalt“ und „Begriff“ das Wesen von etwas.

Darauf aufbauend erklärt Torsten Menkhaus in seinem Buch Eidos, Psyche und Unsterblichkeit: Ein Kommentar zu Platons „Phaidon“ anhand von Platon ebendiesen Begriff. Er bemerkt, dass dieser bei Platon bereits in den Dialogen Kratylos und Parmenides um 399 zu finden sei und dort als „Idee“ übersetzt werden kann.

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Ebenfalls im Lexikon der philosophischen Begriffe ist die Definition von Aristoteles zu eidos zu finden. In seiner Metaphysik stelle eidos den zentralen Begriff der Form als Wesenheit in der Substanz dar. Bei ihm sei die erste Erläuterung eine zu Platon ähnliche Übersetzung: Hier steht der Begriff im Gegensatz zur Materie, dem Stoff, aus dem etwas hergestellt ist und bezeichne stattdessen die Form. Die zweite Erklärung von Aristoteles liegt dagegen in der naturwissenschaftlichen Klassifikation und dem erst später geprägten Begriff der Taxonomie. Er bezeichne die Art einer Gattung.

Auch in der Phänomenologie Edmund Husserls definiert der Begriff das Wesen. Der Ursprung der Erkenntnisgewinnung sei aus Phänomenen, also unmittelbaren Erscheinungen gegeben.

Diese auf den ersten Blick verwandten Definitionen, verweisen auf die Schwierigkeit den Begriff eindeutig darzustellen. Gleichwohl ist es aber möglich, Verbindungen zu dem Verständnis des eidos von Roland Barthes zu ziehen.

In Die helle Kammer, Bemerkungen zur Photographie versucht Barthes das der Photographie „eigentümliche ´Wesen´“ (S. 11) zu erfassen. Dabei setzt er seine Versuche immer wieder ins Verhältnis zu seinem Körper und den eigenen Vorlieben. Ebenso schwingt in allen vorangegangenen Begriffsversuchen die Frage der Körperhaftigkeit im Wesen mit.

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Als einen weiteren Punkt lässt sich das Einfangen des Bildes beim Fotografieren verstehen. Das Aufnehmen mit der camera obscura verdeutlicht auf der einen Seite die Immaterialität und Ablösung des Bildes und auf der anderen eine eindeutige Zeitlichkeit. Letztere wird durch das Zitat „Was ich letztlich auf der Photographie suche, die man von mir macht (die „Intention“, mit der ich sie betrachte), ist der Tod: der Tod ist das eidos der Photographie“ versinnbildlicht. Der Tod sei also das Eidos vor seinen Augen. Weniger das Auge des operators, als das mechanische Klicken des Auslösers stellt für ihn das Entscheidende dar.

Somit bleibt zusammenzufassen, dass die Photographie hier als eine Materialisation einer Ablösung verstanden werden kann.

 

 

Literaturverweise:

Andresen, Carl; Erbse, Hartmut; Gigon, Olof et.al. (Hg.) (1965): Lexikon der Alten Welt. Bd 1. Artemis Verlag Zürich, München. S. 791.

Barthes Roland (1989): Die Helle Kammer. Bemerkung zur Photographie. Aus dem Französischen von Dietrich Leube. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

Menkhaus, Torsten (2003): Eidos, Psyche und Unsterblichkeit: Ein Kommentar zu Platons „Phaidon“. Frankfurt a. M., London: ontos Verlag.

Ulfig, Alexander (1997): Lexikon der philosophischen Begriffe. Wiesbaden: Fourier Verlag. S. 96.

 

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